Von der Tragik etwas Neues zu entdecken
Gelegentlich fühlen sich Wissenschaftler um ihren Erfolg betrogen, manchmal zu Recht, manchmal zu Unrecht. Eine gewisse Tragik liegt in jedem dieser Fälle – so auch in der zweifachen Entdeckung des Vanadiums.
In einer 1803 in Madrid erschienenen Arbeit wird in einer Fußnote die Entdeckung eines Metalls mit Namen Panchromo (pancromo: alle Farben) angezeigt, ein ungewöhnlicher Ort für die Beschreibung eines neuen Elements. Der Entdecker war der Spanier Andrés Manuel del Río Fernández. Er hatte u.a. in Paris Chemie und in Freiberg Geologie und Mineralogie studiert. Dort hatte er auch Alexander von Humboldt kennengelernt. 1794 erhielt er einen Ruf an die Universität in Mexiko-Stadt und widmete sich der Untersuchung mexikanischer Minerale. 1803 trifft er dort Humboldt und diskutiert mit ihm seine Entdeckung. Wegen der rotgefärbten Salze des neuen Elements hatte er es inzwischen in Erythronium (eritrono: rot) umbenannt.
Humboldt sendet eine Probe des Erzes, in der das neue Element enthalten sein sollte, und ein ausführliches Manuskript nach Paris. Die Probe erreichte ihr Ziel; das Manuskript ging wohl verloren. Noch bevor die Probe in Paris untersucht werden konnte, widerruft del Rio 1804 seine Entdeckung und erklärt, Erythronium sei identisch mit dem 1797 entdeckten Chrom; die Untersuchung scheint diese Identität zu bestätigen. Damit ist „der Fall Erythronium“ erst einmal erledigt. Als Humboldt im November 1805 dem Königlichen Mineralienkabinett sieben Kisten mit in Amerika gesammelten Gesteinen und Mineralen übergibt, ist darunter auch ein Teil der del Rio-Probe.
1831, also 27 Jahre nach dem Widerruf, beschreibt der schwedische Chemiker Nils Gabriel Sefström ein neues Element und nennt es Vanadium. Der deutsche Chemiker Friedrich Wöhler erkennt nach der erneuten Untersuchung der Berliner del Rio-Probe wenig später die Identität von Vanadium und Erythronium. Del Rio fühlt sich um die Früchte seiner wissenschaftlichen Arbeit gebracht und macht vor allem Humboldt schwere Vorwürfe, ihn zu dem Widerruf gedrängt zu haben. Diese „Schuld“ Humboldts ist viel diskutiert worden, nach heutiger Kenntnis sind die Vorwürfe gegen ihn jedoch unberechtigt. Wie so oft handelt es sich wohl um eine Verquickung unglücklicher Umstände. Tragisch für del Rio bleibt die Geschichte trotzdem.
- Vanadinit (Detail)
- Del Río entdeckte das Vanadinit erstmals in Mexiko. Diese Probe sandte er Alexander von Humboldt zur Begutachtung.
- In dem untersten Etikett ist in Alexander von Humboldts Handschrift der neue Name des Elements vermerkt: Vanadinbleierz.