Das liebenswerte Monster
„Niemand kann sich Bobbys lieber Art entziehen; er ist ganz einfach ein Kind, ein stilles nachdenkliches Wesen. Und nun obliegt dem Berliner zoologischen Garten das schöne Amt, dieses seit frühester Jugend an menschlichen Umgang gewöhnte, gesunde Tier zu betreuen und groß zu ziehen, damit uns dereinst das noch nie Dagewesene ermöglicht werde, – der Anblick eines ausgewachsenen Gorillamanns.”
So der Tierschriftsteller Paul Eipper im Jahr 1928 über den Gorilla Bobby, der als Zweijähriger aus Kamerun über Marseille nach Berlin gelangte. Damals war er der einzige Gorilla in ganz Europa, weshalb er zum Wappentier des Zoologischen Gartens wurde. Zwar gab es schon 1876 einen anderen Junggorilla namens Mpungu in Berlin, der jedoch schnell verstarb.
Originell ist Bobbys Beitrag zur wechselvollen europäischen Geschichte der Vorstellungen über Gorillas, die einen Wandel vom „Monster“ zum „sanften Vegetarier“ durchmachten. Der Monstermythos war kurz nach der wissenschaftlichen Entdeckung von Gorillas 1847 vor allem durch Bücher des Abenteurers und Afrikaforschers Paul Du Chaillu verbreitet worden. Aber auch die Vorstellung eines darwinistischen Kampfes ums Dasein spielte eine Rolle. An diesen Mythos knüpfte 1933 der erste King Kong-Film an, dem viele weitere folgen sollten. Doch schon Mpungu vermittelte in Berlin einen recht freundlichen Eindruck – wie auch Bobby.
Bobbys Friedfertigkeit und seine kindlichen Spiele mit seinem Pfleger August Liebetreu entsprachen so gar nicht dem Monster-Mythos, obgleich er „einer lebenden Fettmasse glich und nichts weniger als schön war“ – so der Kommentar eines Zoologen. Die persönliche Beziehung und der Augenkontakt mit Menschenaffen faszinieren Zoobesucher damals wie heute. Bobby trug so zur Entmythologisierung der „schrecklichen Bestie“ bei, wie auch seinerzeit Congorilla, der erste Film über wildlebende Gorillas, dessen Wirkung jedoch durch King Kong völlig überlagert wurde.
Bobby wurde gut ernährt und wuchs zu einem über fünf Zentner schweren Riesen heran. Er verbrachte sein Leben im damals üblichen Eisengitterkäfig, dichtgedrängte Menschenmengen gafften ihn tagtäglich an. Sein plötzlicher Tod nach einer Blinddarmentzündung 1935 führte zu dem Nachruf: „Er war der Liebling der Berliner Zoobesucher“. Ein Hauch dieser Faszination lebt heute in der Dermoplastik Bobbys im Museum für Naturkunde weiter.
- Karl Kaestner und Gerhard Schroeder bei der Arbeit an der Dermoplastik des Gorillas Bobby
- Die Dermoplastik von Gorilla Bobby ist im Museum für Naturkunde ausgestellt
- Die Dermoplastik des Gorillas Bobby entsteht
- Präparator Kästner bei der Arbeit an der Dermoplastik des Gorillas Bobby